Nicht-planare Fahrwegskonstruktionen und hybride Systemstrukturen in additiven Fertigungsprozessen mit semifluiden, keramischen Werkstoffen
Eines der offensichtlichsten Merkmale additiver, computergestützter Verfahren wie dem 3D-Druck, scheint die horizontale Ausrichtung der schichtweisen, durch die Bewegung des Druckkopfes gesteuerte Materialaddition zu sein – sie beschreibt in ihrer Gesamtheit die finale Geometrie. Das Forschungsprojekt „Nicht-planare Fahrwegskonstruktionen für additive Fertigungsprozessen mit semifluiden, keramischen Werkstoffen“ hingegen erkundet die Möglichkeitsräume und strukturellen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn sich der Formbildungsvorgang von der streng horizontalen Schichtung löst – dabei ist die Herangehensweise konsequent am Prozess orientiert und von einer ästhetischen Perspektive getrieben.
Dafür wurde ein Workflow etabliert, in dem der Drucker direkt programmiert und seine Bewegungspfade dreidimensional und raumgreifend angelegt werden. Die spezifischen Materialeigenschaften und der Teilschritt der Extrusion werden hier antizipiert und die teils vertikal ausgerichtete Schichtungsprinzipien praktisch exploriert. Die so entstehenden Experimentalreihen sind eng gebunden an einem grundlegendem Interesse wie sich eine Form konstituiert und in welcher Art unterschiedliche Prozesskomponenten dafür ineinander greifen und zusammen wirken. Wie verhalten sich diese Formbildungsprozesse, existieren Analogien zu natürlichen Wachstums und Werdungsvorgängen? Welche Rolle kommt dem Material und seinen Eigenschaften zu? Wie agiert es innerhalb der Strukturen des maschinellen Setting und welchen Stellenwert hat der programmierte ‚Code‘ in dieser Konstellation? Es wird nach einem tieferliegenden Verständnis gesucht, wie sich diese Vorgänge beschreiben lassen, welche ‚innere Logik‘ oder Eigengesetzlichkeit sie entwickeln und wie man gestalterisch damit umgehen kann.
Non-planar tool path constructions for additive manufacturing procedures with semi-fluid, ceramic materials
One of the most obvious features of additive, computer-aided processes such as 3D printing, seems to be the horizontal orientation of the layer-by-layer addition of material controlled by the movement of the print head – in its entirety it constitutes the final geometry. By contrast, the research project „Nonplanar tool path constructions for additive manufacturing procedures with semi-fluid, ceramic materials“ aims to explore the range of possibilities and structural consequences that arise when the shape-forming process breaks away from strictly horizontal layering – in doing so, the approach is consistently oriented towards the process and driven by an aesthetic perspective.
For this purpose, a procedure was established in which the printer is directly programmed and its movements are laid out three-dimensionally and spatially. The specific material properties and the sub-step of extrusion are anticipated here and the partly vertically oriented layering principles are explored in a practical way. The resulting series of experiments are closely linked to a fundamental interest in how a form is constituted and in what way the different components of the process intertwine each other and function together. How do these processes of formation behave? Are there analogies to natural processes of growth and emergence? What is the role of the material and its properties? How does it act within the structures of the machine setting and what significance does the programmed ‚code‘ have in this constellation? A deeper understanding is sought of how these processes can be described, what ‚inner logic‘ or autonomy they develop and how they can be dealt with in design.
Workflow, Beobachtungen, Resultate – Workflow, observations, results
Workflow
Anstelle konventioneller Slicing-Werkzeuge werden Bewegungskurven und der maschinenlesbare Gcode für den Drucker direkt programmiert. Es werden keine Oberflächen modelliert, sondern nur Matrizen aus Punkten, welche Kurven definieren und die in diskretisierter Weise in den Gcode überführt werden. Mit dieser Praktik können Schichtungsprozesse aus ihrer streng horizontalen Orientierung gelöst und stärker räumlich konzipiert werden.
Workflow
Instead of conventional slicing tools, motion curves and the machine-readable Gcode for the printer are programmed directly. No surfaces are modeled, only matrices of points that define curves and which are transferred into the Gcode in a discretized manner. With this practice, layering processes can be detached from their strictly horizontal orientation and designed more spatially.
Diagonale Schichtarrangements
Erprobung diagonaler Schichtanordnungen: Die kontinuierliche Zickzack-Bewegung beschreibt in spiral organisierter Weise das Objekt. Teilweise wird das so entstehende Band durch Sinuskurven moduliert.
Diagonal layering
Testing diagonal layer arrangements: The continuous zigzag motion describes the object in a spirally organized way. Partially, the resulting band is modulated by sine curves.
Z-Sprünge
In der horizontalen Schichtung erzeugen die Z-Sprünge punktuelle Verdichtungen und Verstärkungen in der Wanddicke. Erfolgen die Z-Sprünge mit großer Auslenkung dicht aufeinander, dann löst sich die horizontale Schichtung vollständig auf und das Material organisiert sich zu ‚kegelstumpfartigen‘ Knötchen.
Im physisch-digital verschränkten Vorgang rücken an das Materielle gebundene Bedingungen wie Schwerkraft, Flussfähigkeit und Extrusionsverhalten in den Vordergrund und erzeugen Strukturen hoher Komplexität.
Z-jumps
In the horizontal layering, the z-jumps create punctual compressions and reinforcements in the wall thickness. If the z-jumps occur close together with large an amplitude, the horizontal layering dissolves completely and the material organizes itself into ‚truncated cone-like‘ nodules.
In that physical-digital entangled process, conditions tied to the material such as gravity, fluidity, and extrusion behavior come to the fore and generate structures of high complexity.
Z-Sprünge auf der Fläche
Die flächig orientierten Fahrwege mit ihren vertikalen Sprüngen ähneln sogenannten Sägezahnfunktionen. Gestalt gebende Parameter sind die Abstände der Wege zueinander, die Wellenlängen und deren Amplituden.
Z-jumps on horizontal planes
The two-dimensionally oriented paths with their vertical jumps resemble so-called sawtooth functions. Shaping parameters are the distances of the paths to each other, the wave lengths and their amplitudes.
Sektionale Modulation
In der Testreihe der ’sektionalen Modulation‘ werden nicht-gleichförmige Modulationen des ursprünglich planaren Fahrweges übereinander geschichtet und somit Lücken im Schichtgefüge provoziert. Diese Testreihe stellt auch die Frage, wie sich gezielt Freiräume in die Geometrien integrieren lassen und in wie weit das weiche Material zum ‚Bridging‘, also zur Überbrückung fähig ist.
Sectional modulation
In the test series of ’sectional modulation‘, non-uniform modulations of the originally planar track are layered on top of each other, thus provoking gaps in the layered structure. This test series also poses the question of how voids can be specifically integrated into the geometries and to what extent the soft material is capable to bridge the gaps.
Globale Modulationen
Die Abstände der Fahrweg-Schichten, die das aus Zylindern bestehende Gitter beschreiben, werden global über die gesamte Geometrie in definierten Domänen in vergrößert. Dabei ergeben sich, einer Topografie ähnlich, 3-dimensionale Berg-Tal-Konstellationen.
In konventionellen Slicing-Berechungen mit planaren Fahrwegen werden für die Realisierung der Wölbungen zusätzliche Schichten angeordnet. In dem hier gezeigten, nicht-planarem Ansatz dagegen, bleibt die Anzahl der benötigten Schichten gleich und ihr sich ändernder Abstand zueinander erzeugt die topografsichen Wölbungen. Ermöglicht wird dies durch die spezifische Viskosität der keramischen Paste und dem damit verbundenen Vermögen des Materials die nötige Stabilität auch bei einer geringerer Dichte der Schichten herstellen zu können.
Global Modulation
The distances of the layers, which describe the grid consisting of cylinders, are globally enlarged over the entire geometry in defined domains. This results in 3-dimensional mountain-valley constellations, similar to a topography.
In conventional slicing calculations with planar travel paths, additional layers are arranged to realize the camber. In the non-planar approach shown here, the number of layers required remains the same and their changing distance from each other creates the topographic bulges. This is made possible by the specific viscosity of the ceramic paste and the associated ability of the material to produce the necessary stability even at a lower density of the layers.